Rezension zu einem Konzert mit Herzog-Prätzlich-Schmitz, Stefan Uhrmacher, Saarbrücker Zeitung, Januar 2018:
„In einem schlicht Herzog-Prätzlich-Schmitz getauften Trio musizierten Johannes Schmitz (E-Gitarre, Komposition) und Daniel Prätzlich (Schlagzeug), beide sind Saarbrücker, und als Dritter im Bunde der Kölner Bassist Constantin Herzog. Obwohl sich alle drei musikalisch kennen, war‘s in exakt dieser Konstellation nun ein Premiere – und zwar eine bärenstarke: Was hier an explosiver Energie auf das begeisterte Auditorium einprasselte, das hatte sich gewaschen. Die druckvoll rockigen Rhythmen hatten das Zeug zum Markenzeichen. Dabei harmonierten Prätzlichs markige Trommelfarben prächtig mit den knackigen E-Bass-Tönen von Herzog; er erzeugte seinen charakteristischen Klang mittels Plektron-Anschlags. Bei krachenden gemeinsamen Akzenten aller drei Musiker wurde man förmlich in die Sitze gepresst. Im Zentrum des Geschehens stand Gitarrist Johannes Schmitz, der auch für die Grundideen der Stücke verantwortlich zeichnete. Mit markant schrägen Tonkaskaden, die mit schneidend scharfem Timbre aus dem Verstärker perlten, bildete Schmitz die Speerspitze des Dreiers. Bei dem mitreißenden Auftritt fehlten nicht lyrische Strecken mit sanften glockengleichen Gitarren-Akkorden und funkige Muster, von denen sich manch eine Funk-Band eine Scheibe hätte abschneiden können. Kurz: eine erfreulich groovige Angelegenheit.“
Rezension zu Botanic Mob (Schmitz-Fischer-Schmitz), Alexander Schmitz, Jazzpodium 2016
"Druckvoll-energetischen Avantgarde- und Prog-Jazz" nennen sie's, "Noise/Avant-Punk", "Trash Jazz", "Noise
Impro". Und "Botanic Mob" nennen sich die drei Rheinländer Daniel Schmitz, tp, Johannes Schmizu, g, und Jörg Fischer, dr, und dieses Trio stellt sich nun mit sechs Stücken vor, vorneweg der
Neunminüter "Plasmatic itch", in dem die Trompete das, na ja, sinnstiftende Format bietet, auf das Gitarre und Schlagzeug munter reagieren. Was heraus kommt, sind - erst mal - ungeordnete Nachrichten
aus einem Druckkochtopf mit mikrofonförmigen Ventilen. In "Soy" (10:15) kabolzt die Trompete über Stock und Stein, jault und barmt die Gitarre mit Slide und Bendings, versucht das Schlagwerk, sich im
Zufalls-Dickicht sein Fenster zu bauen und zeigt Johannes, dass er weit mehr in petto hat als bloßes anarchisches Haut-den-Lukas. "Soy" ist aufschlussreich, macht neugierig und regt Spekulationen an,
ob sich aus jeder beliebigen Art von Zufall ästhetische Ordnungen bauen lassen.
Was dieser Dreier wirklich will, breitet er aus in dem 18-minütigen Finale "Abbreviated L.C.C." Gestopftes Horn, vorsichtig tröpfelnde Effekte der Gitarre, Schlagwerk, das sich übers Zuhören
geduldig entfaltet. Das ist wohl Noise, frappierend farbenreich, witzig und überwiegend beruhigend (!) piano bis pianissimo, ein Hör-Spiel mit einer schier unüberschau- bzw. hörbaren Menge von
Ereignissen aus einem faszinierenden Zwischenreich aus Zufall und kollektiver Intuition. Man hört hin und ist - fasziniert.
Ist das Kunst, oder kann das weg? Ob das Kunst ist, darüber mag man streiten. Weg aber darf das jedenfalls auf keinen Fall.
Rezension zu Botanic Mob, bertl, Freistil, 2016
Da ist zum Einen Botanic Mob, beinhaltend sieben frische Improvisationen mit Trompeter Daniel Schmitz und
Gitarrist Johannes Schmitz. Nicht nur frisch, sondern auch frei und ganz schön bunt geht es dabei zu. Fischer und J. Schmitz sind das Kraftwerk des Trios mit farbigem, aber nicht nur,
hochenergetischem Spiel. Die Gitarre etwa liefert drahtige Cluster, Slidesounds, Obertöniges, aber auch lineare Ausbrüche, sowie relaxteres Linienspiel – Textur ist dabei jedoch ein wesentliches
Stichwort. Letzeres gilt auch für Fischers, wie immer vielseitig-vitale Schlagwerkerei. Dazu hört man von der Trompete ab und zu auch mit alternativen Ansatztechniken erzeugtes Geräuschhaftes, vor
allem aber ausgedehnte flotte Linien. Wie ein Sampler bedient sich der trompetende Schmitz dabei auch immer wieder Materials aus der Modern Jazz-Tradition, was zwar auch für reizvolle Kontraste zu
sorgen vermag, aber nicht immer vollständig aufgeht. Vor allem im, stark vom Spiel mit klanglichen Ressourcen der Gerätschaft bestimmten, langen letzten Stück macht es jedoch ordentlich Klick!
Insgesamt, von Kleingkeiten abgesehen, schon eine gelungene Angelegenheit, der man die Gunst schenken sollte.
Rezension zum Konzert von Uhl bei FreakShow in Würzburg, Bad Alchemy, Juni 2015
Die Saarländer Ex-'Discoboys' UHL laden ein zu bockigem Noise Jazz, mit
furiosem Drumming von Martial Frenzel, E-Bass-Power von Lukas
Reidenbach und gottvoller Gitarrististik von Johannes Schmitz. Laut ihrer
Debut-CD auf Gligg sind vergiftete Pille-Palle-Stücke ihre Spezialität,
Stücke, die einen träumerisch stimmen und nicht gefasst darauf, dass
Fistfuck-Zombies mit "Muhaah!!" auf einen zustorzeln. Tatsächlich
beginnen sie sanft. Bis der Bassist den Schalter umlegt für Crash und
Karambolage ohne Rücksicht auf Knautschzonen. Phänomenale
Schmitzerei und stramm stampfende Beats, direkt in yer face. Von
Attacke zu Attacke zu springen, macht, unter Freaks gesagt, an sich noch
keine Nachtigall. Aber die Saarländer sind da schon sehr konsequent,
und Schmitz, ein Schlacks mit Goatie, der in Krassport, in Botanic Mob
mit Jörg Fischer an den Drums und Im Trio an der Seite von Christof
Thewes noch weitere heiße Eisen schmiedet, kann mit seinen schlimmen
Fingern alles, bloß nicht fad. 'Victims Pt. 2' richtet sich an Menschen mit
Gefühlen, ohne aber die Rasanz zu reduzieren. Denn der Drummer
kündet mit Tatortreiniger-Tonfall wie ein Anrufbeantworter jedes Stück an
mit: "Sehr verehrte Damen und Herren, das nächste Stück ist eine
Ballade, also etwas für's Herz." Um, seinem Alkoholpegel trotzend, beim
vierten oder fünften Anlauf die Drohung wahr zu machen, halbwegs. Das
Herz muss hier einiges aushalten, sogar eine Horror-Hai-Attacke. Aber
der Martial kann auch Metronom. 'No home' knattert aber wieder wie Sau.
Denn "es geht ja nicht alles um die Rente". Gut erkannt, und heavy, aber
saukomisch vorexerziert mit Slidefuror bis zum geht nicht mehr.
'Aftermath' bringt Uhl nicht sooo hart, aber besonders schnell und
federnd. Nur um anschließend noch schneller und lakonischer zu fetzen.
'Schnickschnack' wird im Gedenken an Christopher Lee und dessen
kleinen Bond-Filmpartner gehämmert. Als Encore gibt es ein
holterdipoltriges 'Caravan' auf Speed. Ha, da fühl ich mich doch zugleich
geschüttelt und gerührt.
Rezension zum Uhl-Album "Thomas“ von Volkmar Mantei, Ragazzi, Juli 2015
Wat dem Ein'n sien Uhl, dat is dem Annern sien Nachtigall. Un hier is nix mit Nachtigall, hier geiht dat um Uhl.
Die 2010 in Saarbrücken gegründete, 2013 mit "Diskoboys"vorgepreschte und jetzt mit "Thomas"
hinterherjagende Band macht erfrischend lebhaften, humorvollen, gar lustvollen, dabei intensiven, mörderisch unkonventionellen und entspannend hinreißenden Progkrach der delikaten Avantsorte.
Martial Frenzel (dr), Johannes Schmitz (g) und Lukas Reidenbach (b) samt den Gästen Elodie (Madonna Mia, was für ein traumhafter Name) Brochier (voc, récitation) und Roman (vocal snippets)
sprühen in den 10 Songs (und 36:55 Minuten CD-Spielzeit) vor Vielseitigkeit. Stilistisch. Sie meinen, dass da sowas wie Jazz, NoWave, Exotica und Metal durchaus wiederzuerkennen seien ("in den
einzelnen, nie gleich klingenden und stets neu interpretierten Stücken"), auf der bandcamp-Seite sind diese tags angegeben (um im Massensumpf des Intörnetts die richtigen Sinnleute anzusprechen):
alternative metal alternative downtown free free improv hardcore jazz metal noise punk - sowie Uhl und Saarbrücken. Um dieses Sammelsurium gleich wieder zu nivellieren und festgefahrene
Hörvorstellungsfans locker zu machen, wird als Ergänzung angefügt (kann ich das irgendwo unterschreiben): Dogmen sind was für Nazis (im weitesten Sinne).
Hier nix Dogmen. Hier Freecore Avantprog (Dogma) - Quatsch. Hier liegt Musikke drin und die Chose macht denen Laune, die sich von allerhand ins Atonale neigenden
Dis- und Harmonien sowie ausgefallen krachschrägen Melodiemustern gern unterhalten lassen und dabei mit ihrer Hörneugierde immer weiter ins Musik-All stoßen, wo sie überwiegend einsam sind, ohne
Geschwister, Spielzeug und Telefon. Quatsch.
Das Album ist sehr kurzweilig, äußerst kurzweilig, macht pausenlos schieren, brodelnden Spaß und unterhält mit krachend wildem Musikzeug, das jenseits aller
hübschen Musikmuster seine eigene Weite bastelt, die als Ohrsesselspielwiese für geneigte Hörsüchtige schräger Rock/Jazz/etc-Spielplätze perfetto geeignet ist. Stürzet euch drauf, wie ich es tue!
(Kein Quatsch!)
Als Opener dachte sich das Trio infernale ein schwungvolles Trinkerlied namens "Narrow-Minded Jerks", zu dessen Klang nicht einmal die gepflegte Tante das
Wohnzimmer verlässt (also: lauter aufdrehen, dass die, Kuckuck, Alte sich endlich verzieht ;). Der zweite Song beginnt im ersten, ganz zuletzt sind die Tracks verknüpft. Und wer jetzt denkt,
Mann, die Platte ist schon so kurz und dann verschenken die noch Minuten für Quatsch! Der liegt falsch.
Während in "Narrow-Minded Jerks" plärrige Kneipenguitarre zittrige Streicheleinheiten serviert, bevor die Band im Chor den brodelnden Jubel besingt, der ihr auf der
stürmischen Seele liegt, steigt gleich drauf Punk-grazile Schredderguitarre auf die Bühne. Eine Dame singt. Und wie sie dies tut, und die Band den flotten Song dazu schmettert - alle Achtung,
dies ist schick sehr! Die lockere, anarchisch fröhliche Studiostimmung tritt vor das innere Auge und die (Vor-)Freude der Band, ihrem Publikum diesen zarten Leckerbissen zu servieren, ist
intensiv zu spüren. Krach in lasziver Partitur!
"Thomas" hat auch Text. In dem Lied geht es um einen babyblauen Mann, der seinen (1.) Urlaub dieses Jahres schon hinter sich hat und mit kohlrußschwarzen Händen
arbeitet. Oder es geht woanders drum. Ist egal. Die Musik macht's!
Die Songs sind so kurzweilig wie kurz. Die Schredderguitarren bringen den Boxenraum zum Beben, das Trommeln geht mit Schwung und allerlei technischem Aufwand einher
und unterhält beide Saitenspieler exzellent. Was der Bass tut, ist weit mehr als basische Struktur. Hier wird Jazz melodiert und Rock explodiert. Satter Klang aller Saiten und ein wohlentspannt
ausgelegtes Klangbett machen dem illustren Geschehen viel lustvollen Freudenraum. Hammer, was für ein scharfkantiges Gebräu! Nirgends ein Tröpflein konservativer Stilfestigkeit, nur Gedonner und
Gewitter. Es bebt und brodelt exzellent, wie gesagt. Die Band meint: so ist es schön.
Und: so ist es noch viel schöner. Und weil dies so ist, haben sie gleich einen Song danach benannt. In dem die Schönheit im Ohr des Hörers liegt, der im Hörspiel
der Jazzfreiheit allerlei lustig Liedsamkeit entdecken kann. Warum es früher noch nie dieses gab? Weil Uhl erst jetzt dran sind.
Die Songs 6, 8 und 9, "Kim Or Not", "Home's A Weird Place" und "My Gay Sister Is An Alcoholic" treiben es in der Spiellänge etwas weiter als die anderen
Musiktracks. Hier ist die kompositorische Gehaltskomponente tiefer gegraben, ackert das Trio in (gesund) schwere Gewässer, die verzückende Erkenntnisse bringen, dem, der lauscht. Hört nicht
auf!!!
Und dann ist da noch "Cette Nuit" (heute Nacht). Ich nehme an, dass Elodie Brochier das Poème récitiert. Ich habe nicht gefunden den Text und kann sagen darüber
nix. Aber wie Elodie das Poème vorträgt, reicht als Aussage vollkommen. Die Menschheit wird so nicht aussterben und ihr Erbgut weitergeben. Mit Liebe. Hört es euch an.
Zuletzt dröhnt der Punkhammer noch einmal wild und herzlich. Jazzpunk könnte das genannt sein, wenn es einer Beschreibung nachjagte. Tut es nicht. Es rennt einfach
wie verrückt vor Freude in der Gegend herum, springt, hüpft, lacht und schaut ins Licht der Sonne. Dann woanders hin.
Musik wie Capoeira (keine Capoeira-Musik). Capoeristas famosos! Musicas famosos!
Textimprovisation zu Ende. Jetzt seid ihr dran.
Ich liebe es. Ihr sollt dies auch tun.
Rezension zum Uhl-Album "Thomas" von Jochen Rindfrey, Babyblaue Seiten, 12.08.16
Thomas? Wer ist Thomas? Vielleicht jemand, der auf Uhl musikalischen Einfluss ausgeübt hat? Das zweite Album des Trios aus dem Saarland zeigt sich nämlich ziemlich anders ausgerichtet.
Schon auf dem Debüt waren ja einige Stücke von härterer Gangart drauf, auf dem Zweitling dominieren diese nun. Die Jazz-Einflüsse sind zurückgegangen, dafür geht es jetzt in Richtung eines harten, gitarrenbetonten Avant-Progs. Denn an Komplexität hat die Musik des Trios nichts eingebüßt, nur werden die Ecken und Kanten uns jetzt derb um die Ohren geknallt. Praktisch durchweg schreddert die Gitarre, zerschneidet einem mit messerscharfen Riffs die Gehörgänge. Gitarrist Johannes Schmitz lässt sein Instrument ohne Ende jaulen, kreischen und krachen, legt dabei bisweilen eine geradezu punkig-rotzige Attitüde an den Tag und bringt auch ordentlich Dissonanzen rein. Dazu lässt Lukas Reidenbach den Bass donnern, und Schlagzeuger Martial macht seinem Vornamen alle Ehre, indem er erbarmungslos auf die Felle wird eindrischt.
Dazu kommt ein deutlicher Fun-Faktor. Der zeigt sich gleich im einleitenden Narrow-Minded Jerks, wo die drei zu akustischem Gitarrengeschrammel einen Shanty-artigen Gesang in herrlich akzentuiertem Englisch loslassen. Überhaupt gibt es hier nach dem komplett instrumentalen Debüt viel Gesang, oder besser: Stimmeinlagen, die auch mal in Form kurzer gesprochenen Satzfetzen kommen können. Cette nuit besteht sogar fast nur aus einem längeren, gesprochenen Text, der von Elodie Brochier vorgetragen wird (in Französisch). Selbige Dame singt auch mehrfach auf diesem Album, meist auf ziemlich verschrobene Weise. So etwa gleich anschließend in Home’s a Weird Place, wo sie zu geradezu quälend langsamem Krach die Worte ausstößt, und man glaubt sofort, dass ihr Heim (und das der Musiker) ein „weird place“ ist. Dieser Gesang ist ein echter Gewinn für die Musik von Uhl!
Thomas zeigt gegenüber dem Debüt eine deutliche Weiterentwicklung in Richtung schräg-komplexen Krachs. So kann es ruhig weitergehen! Tolle Musik!